20. May 2024

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Fragen an eine Lektorin für Onlinemedien 

 Viele Menschen lesen Zeitungen und Nachrichten online. Kristin Barz-Kühnemann verdient damit ihr Geld. Im Interview erzählt sie uns, warum sie Artikel mehr beobachtet als lektoriert und ob sie in ihrer Freizeit noch Lust hat, Onlinemedien zu konsumieren. 

 von Lynn Bischoff und Victoria Wolf

Wenn Kristin Barz-Kühnemann sich morgens auf den Weg zu ihrem Arbeitsplatz macht, durchquert sie nur zwei Zimmer. Seit einem Jahrzehnt arbeitet die 39-jährige für ein Schweizer Medienunternehmen als Lektorin, zuerst für Print- und Onlinemedien – mittlerweile nur noch letzteres. Seit nun knapp acht Jahren lektoriert und beobachtet die studierte Germanistin große Schweizer Online-Zeitungen wie die Neue Zürcher Zeitung oder den Tagesanzeiger und das hauptsächlich aus dem Homeoffice und mit Kater Lenny als Arbeitskollege. 

Wie bist du zum Lektorieren gekommen? 

Kristin Barz-Kühnemann: Eigentlich recht klassisch, wie man halt zu einem Job kommt. Es gab damals eine Stellenausschreibung auf die ich mich beworben habe. Ich wurde dann zu einem Probelesen eingeladen, habe das offensichtlich sehr gut gemacht und dann ging auf einmal alles ganz schnell. 

Was macht eine Lektorin für Onlinemedien?

Kristin Barz-Kühnemann: Ich kann nur über den Bereich der Medienbeobachtung sprechen, denn das ist was ich tue. Wir bearbeiten hauptsächlich Schweizer Onlinemedien, also große Tageszeitungen, Nachrichtenportale und alles was in der Schweiz online ist. Die Artikel aus den jeweiligen Medien haben wir vor uns und dazu gibt es die bestimmten Informationen zu unserem Kunden – welche Artikel sind für ihn relevant und was hat er gebucht. Interessiert ihn die reine Worterwähnung oder Themen, die mit ihm zu tun haben. Dementsprechend schaue ich mir den Artikel an, bei dem die Passagen gehighlightet wurden, die den Suchanfragen entsprechen und entscheide, ob der Artikel am Ende für den Kunden je nach gebuchten Kriterien relevant ist oder nicht. 

Welche Qualifikationen braucht man fürs Lektorieren von Medien?

Kristin Barz-Kühnemann: Es ist kein klassischer Ausbildungs- oder Lernberuf. Man braucht eine schnelle Auffassungsgabe, weil es nicht darum geht die Artikel zu lesen, sondern anhand von den gehighlighteten Passagen zu entscheiden, was passt und was nicht. Dafür hat man keine halbe Stunde Zeit, da zählt ein gewisses Tempo. Auch ein bestimmtes Gespür für Zusammenhänge ist wichtig sowie auf jeden Fall eine Affinität zum geschriebenen Wort. 

Du bist spezialisiert auf Onlinemedien – welche Unterschiede gibt es beim Lektorieren von Print- und Onlinemedien?

Kristin Barz-Kühnemann: Früher war das ein großer Unterschied. Bei den Printmedien hatte ich die Zeitung oder Zeitschrift vor mir liegen, habe die Artikel gekennzeichnet, dann den Suchbegriff unterstrichen und mit einem Klebezettel markiert. Danach ging es in der Verarbeitung weiter zur Schneiderei, die haben die Artikel geschnitten, gesammelt und irgendwann an den Kunden versendet. Das System gibt es allerdings gar nicht mehr, da die Produktion komplett auf digital umgestellt wurde. 

Würdest du gern auch mal ein Buch lektorieren?

Kristin Barz-Kühnemann: Grundsätzlich ja, allerdings ist das natürlich was ganz anderes, als das, was ich in der Medienbeobachtung mache. Das kann man überhaupt nicht miteinander vergleichen. In der Onlinebeobachtung sind die Artikel auf den Kunden zugeschnitten und wir verändern an diesen Artikeln nichts. Bei dem Lektorieren eines Buches geht es hauptsächlich um die Rechtschreibung, die Grammatik und ob alles Sinn ergibt. Das finde ich sehr interessant und ich wurde auch schon oft im Familien- und Freundeskreis gefragt, ob ich etwas gegenlesen und gegebenenfalls korrigieren kann. 

Was liebst du an deinem Beruf?

Kristin Barz-Kühnemann: Ich finde die Flexibilität großartig und für mich passen auch die Arbeitszeiten perfekt. Außerdem kann ich im Homeoffice arbeiten und das schon lange bevor es ein Ding geworden ist. Dazu kommt die Abwechslung, also dass man mit so vielen unterschiedlichen Artikeln aus jedem Bereich zu tun hat, die man so gar nicht lesen würde. Da wir für die Schweiz lektorieren, bekommen wir auch italienische, französische und englische Artikel, wodurch man unglaublich viel lernt über die Sprachen, das Weltgeschehen und die Unterschiede zu anderen Ländern. 

Was magst du an deinem Beruf nicht?

Kristin Barz-Kühnemann: Manchmal ist es etwas frustrierend, wenn man sehr viele Artikel hat und den ganzen Tag daran sitzt, aber es nicht weniger werden oder man nicht alles schafft. Es gibt einfach Phasen, wo mehr los ist und Phasen, wo weniger los ist. Im Großen und Ganzen überwiegen aber die Vorteile. 

Hast du als Lektorin überhaupt noch Lust in deiner Freizeit Onlinemedien zu lesen?

Kristin Barz-Kühnemann: Wenn ich so richtig darüber nachdenke, eher weniger. Durch die Arbeit hab ich einen guten Überblick auf das aktuelle Weltgeschehen. Wenn ich in meiner Freizeit Medien konsumiere, dann sind es eher Beiträge auf Social Media. Manchmal sehe ich aber auch während der Arbeit Artikel oder Themen, die mein Interesse wecken und dann befasse ich mich nach der Arbeit noch damit.   




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